Rücktritt/Widerruf eines Rentenversicherungsvertrages kann bei „besonders gravierenden Umständen“ unwirksam sein



Grundsätzlich kann eine Lebensversicherung, z.B. falls keine ordnungsgemäße Widerrufserklärung erfolgte auch viele Jahre später noch wirksam widerrufen werden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.05.2014, Az.: IV ZR 76/11).

Wie auch gerade der behandelte Fall zeigt, kann sich dies im Vergleich zur Kündigung des Vertrages als finanziell vorteilhaft erweisen. Der Kläger forderte nämlich eine Summe von 4.863,05 € von der Versicherung, welche wohl die Differenz des im Fall eines Widerrufs durch die Versicherung zu zahlenden Betrages im Vergleich zu den Zahlungen bei Kündigung entsprechen sollte.
Dass ein Widerruf aber nicht unter allen Bedingungen noch möglich bleibt, ergibt sich nach Ansicht des Brandenburgischen Oberlandesgerichts. Es sah in dem Verhalten des Klägers eine Form der gegen „Treu und Glauben“ verstoßenden unzulässigen Rechtsausübung. Dies begründete das Gericht damit, dass der Kläger nicht nur den Vertrag durchgeführt hätte, sondern auch eine Teilauszahlung veranlasst hätte, die Bezugsberechtigung ändern ließ, eine Veränderung der Beitragshöhe und einen Wechsel seiner Fonds beauftragte und außerdem ein Policedarlehen in maximaler Höhe gewünscht habe. Er habe insoweit aktiv auf Bestand und Inhalt des Versicherungsvertrages eingewirkt. Diese zahlreichen Umstände begründeten „in der Summe ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten in den Fortbestand des Vertrages bzw. die Endgültigkeit der Vertragsabwicklung nach der Kündigung des Klägers“.

Aus dem Urteil wird deutlich, dass es sich hier allerdings um eine Einzelfallentscheidung gehandelt hat. So betont das Gericht etwa: „Zwar können allgemein gültige Maßstäbe dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fehlende (oder fehlerhafte) Belehrung über das Rücktrittsrecht […] einer Anwendung von §242 BGB entgegenstehen, nicht aufgestellt werden. Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Einzelfall obliegt grundsätzlich dem Tatrichter“.
Außerdem betont das Gericht trotz der ablehnenden Gesamthaltung, dass allein die Vertragserfüllung, also die regelmäßige Prämienzahlung, für sich alleine jedenfalls nicht erlaubt hätte, einen Widerruf als unwirksam anzusehen. Diese Einschätzung ergibt sich auch bereits aus BGH-Rechtsprechung.

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 11.09.2019, Az.: 11 U 198/18